Apartheid und Kolonialismus

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Neben den bereits im letzten Beitrag aufgelisteten unhaltbaren Vorwürfen legt die PSDU-Verbotsverfügung auch die Tatsache, dass die Gruppe Israel als Kolonial- und Apartheidstaat bezeichnet hat, als „antisemitisch“ aus.

Israel ist ein Kolonialprojekt

Dass es sich bei der zionistischen Bewegung um eine koloniale Bewegung handelt, ist schlicht ein Fakt: Es ging von Anfang an um die Ansiedlung (jüdischer) Europäer in einem außereuropäischen Land, wobei zunächst neben Palästina auch Uganda und Argentinien als mögliche Ansiedlungsgebiete diskutiert wurden. Die Zionisten bezeichneten sich zudem selbst offen als Kolonialbewegung

Theodor Herzl, der Begründer des politischen Zionismus, bezeichnete das zionistische Vorhaben als „koloniales Projekt“[3] und umwarb u. a. Cecil Rhodes, den britischen Kolonialunternehmer und Begründer der Siedlerkolonie „Rhodesien“ (Simbabwe und Sambia). Zeev Jabotinsky, eine weitere zionistische Führungspersönlichkeit, bezeichnete die Palästinenser als „indigene Bevölkerung“ und die zionistischen Siedler als „Kolonisten“.[5]

Im 1908 von der Zionistischen Vereinigung für Deutschland (ZVfD) herausgegebenen „Zionistischen ABC-Buch“ heißt es unter dem Schlagwort „Systematische und systemlose Kolonisation“: Erst der politische Zionismus hat die Notwendigkeit einer planmäßigen, alle einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen umfassenden Vorbereitung der zukünftigen Kolonisation hervorgehoben.“ Anschließend wird eine Anleitung zur Vorbereitung der Kolonisation gegeben, wobei man sich auf die Erfahrungen der „großen Kolonisationsmächte“ bezieht.

Zu den wichtigsten zionistischen Institutionen gehörten die Jewish Colonisation Association (JCA) bzw. die Palestine Jewish Colonization Association (PICA) und die Jüdische Kolonialbank.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Begriff „Kolonialismus“ auch im Westen einen negativen Klang bekam, änderten die Zionisten ihr Image und gaben sich sogar als „antikoloniale“ Bewegung aus,[9] was sowohl in den USA als auch in der Sowjetunion – den beiden neuen Supermächten – besser ankam.

 

Israel ist eine Siedlerkolonie

Es gab und gibt verschiedene Formen von Kolonien. Palästina stand von 1917-48 unter britischer „Mandatsverwaltung“, eine vom Völkerbund „legitimierte“ Form des klassischen Kolonialismus. Schon vorher und parallel dazu begannen die Zionisten mit ihrem siedlerkolonialen Projekt.

Siedlerkolonialismus ist eine besondere Form des Kolonialismus: Im Gegensatz zu anderen Kolonien geht es in erster Linie um die Ansiedlung einer neuen Bevölkerung und damit einhergehend um die Verdrängung bis hin zur Vertreibung und/oder Vernichtung der einheimischen Bevölkerung. „Im Siedlerkolonialismus kommt es deshalb besonders häufig zu genozidaler Gewalt“. Umgekehrt verlief die Entkolonialisierung bisher „in allen Siedlerkolonien in Form von Guerillakriegen, die von militanten Unabhängigkeitsbewegungen gegen die Siedler geführt wurden.“


Siedlerkolonien waren bzw. sind u. a. die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Algerien, Südafrika, Namibia und „Rhodesien“. Auch Israel wird von internationalen Wissenschaftlern als Siedlerkolonie betrachtet, etwa von Ibrahim Abu-Lughod, Gilbert Achcar, Perry Anderson, Helga Baumgarten, Benjamin Beit-Hallahmi, Alexander Flores, Jamil Hillal, Rashid Khalidi, Moshe Machover, Ilan Pappe, Maxime Rodinson, John Rose, Norman Paech, Shlomo Sand, Udo Steinbach, Lorenzo Veracini, Petra Wild und Patrick Wolfe.

 

Israel ist ein Apartheidstaat

Der Vorwurf, dass in Israel, in der Westbank und im Gazastreifen Formen der Apartheid herrschen, wird mittlerweile von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen erhoben, darunter Amnesty International (AI), Human Rights Watch (HRW) und B’Tselem. Zuvor waren solche Vorwürfe u. a. vom südafrikanischen Human Science Research Council (HSRC), dem UNO-Komitee zur Eliminierung aller Formen der rassistischen Diskriminierung (CERD) und der BDS-Bewegung erhoben worden.

 

Einige Südafrikaner, wie der ANC-Freiheitskämpfer Ronnie Kasrils, der Journalist Mondli Makhanya oder der jüdische Aktivist Adam Broomberg bezeichnen das israelische Apartheid-Regime sogar als wesentlich brutaler als das südafrikanische. Der Grund ist, dass die Weißen in Südafrika die Schwarze Bevölkerung ausbeuten wollten, während Israel die Palästinenser in erster Linie loswerden will.

 

PSDU hat weder „unbelegt“ noch „pauschal“ geurteilt

Lächerlicher Weise heißt es in der PSDU-Verbotsverfügung: „Diese unbelegte und pauschalisierende Behauptung“, nämlich dass es sich bei Israel um ein Kolonial- und Apartheidregime handelt, „erfüllt gleichfalls die Definition des Antisemitismus der IHRA.“ Zunächst einmal kann niemand verboten oder bestraft werden, nur weil er seine Meinung nicht belegt oder pauschal urteilt.

Hinzu kommt allerdings, dass PSDU sich in seinem Urteil über Israel nicht nur auf die oben angeführten Fakten, Wissenschaftler, UNO-Gremien und Menschenrechtsorganisationen stützen kann, sondern dies auch tatsächlich getan hat: Selbst in Reden wurde immer wieder auf die Apartheid-Berichte von AI, HRW und B’Tselem verwiesen. Zudem hat PSDU zwei Lesekreise zu Büchern anerkannter Wissenschaftler (Ilan Pappe und Petra Wild) organisiert, die sich genau mit diesen Themen beschäftigt haben. Beides war den Autoren der Verbotsverfügung bekannt.


[1] „Antisemitische Narrative“ — Komitee gegen das Verbot von PSDU (psdu-verbot.info)

[2] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/israel-336/268889/eine-bewegung-schafft-sich-ihren-staat-der-zionismus/

[3] Zitiert nach Petra Wild: Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina (Promedia 2013), S. 13.

[4] https://mondoweiss.net/2010/09/actually-herzl-was-a-colonialist/

[5] Zitiert nach Rashid Khalidi: Der hundertjährige Krieg um Palästina (Unionsverlag 2024), S. 21.

[6] http://www.lexikus.de/bibliothek/Zionistisches-Abc-Buch/Systematische-und-systemlose-Kolonisation

[7] https://www.jewishvirtuallibrary.org/jewish-colonization-association-ica

[8] http://www.lexikus.de/bibliothek/Zionistisches-Abc-Buch/Juedische-Kolonialbank

[9] Khalidi: Der hundertjährige Krieg, S. 22.

[10] https://www.jungewelt.de/artikel/462962.vernichten-um-zu-ersetzen.html

[11] https://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/iz3w2008-KD-Zimmerer.htm

[12] https://www.ieg-ego.eu/de/threads/europa-und-die-welt/herrschaft/christoph-marx-siedlerkolonien

[13] Eine gute Einführung gibt Petra Wild: https://www.linksnet.de/artikel/32191#sdfootnote9sym

[14] https://www.amnesty.de/sites/default/files/2022-08/Amnesty-Uebersetzung-Zusammenfassung-Bericht-Israels-Apartheid-against-Palestinians-2022.pdf

[15] https://www.hrw.org/news/2021/10/04/time-recognize-reality-israeli-apartheid-persecution

[16] https://www.btselem.org/publications/fulltext/202101_this_is_apartheid

[17] https://hsrc.ac.za/press-releases/dces/report-israel-practicing-apartheid-in-palestinian-territories/

[18] https://www.adalah.org/uploads/oldfiles/eng/pressreleases/15_3_12.html

[19] http://bds-kampagne.de/faqs/

[20] https://www.middleeastmonitor.com/20140128-opposing-apartheid-palestine-and-the-experience-of-south-africa-with-ilan-pappe-and-ronnie-kasrils/

[21] https://www.meforum.org/campus-watch/26256/anti-zionism-and-the-humanities-a-response-to

[22] https://www.marx21.de/israel-ist-nicht-mit-suedafrika-vergleichbar-israel-ist-viel-schlimmer-als-suedafrika/

[23] https://www.marxists.org/history/etol/writers/machover/2004/11/apartheid.html

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Udi Raz (Jewish Voice for Peace) on the ban of Palestine Solidarity Duisburg

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„Antisemitische Narrative“